Familiennachzug

Ich kann es nur schwer ertragen, diese elende Diskussion um den Familiennachzug.

Besonders dann, wenn ich diesem aufgeweckten, freundlichen, 11-jährigen Mädchen gegenüber sitze, das mit Tante, Onkel und 3 Cousins vor 1 1/2 Jahren aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist.
Raus aus den kriegerischen Übergriffen, weg von der Verfolgung durch den IS. Freiwild waren sie, weil sie Jesiden sind, erzählt sie in nahezu perfektem Deutsch. Freiwild sind ihre Eltern und ihre 4 kleineren Geschwister immer noch, denn die sind immer noch im Irak, nahe der türkischen Grenze. In einem riesigen Flüchtlingscamp: in Dohuk. Dort leben sie unter menschenunwürdigen Verhältnissen. Die provisorisch aus Plastikplanen zusammengeschusterten Zelte bieten kaum Schutz. Wenn es regnet, schlafen sie im Schlamm. Der Vater verdingt sich als Tagelöhner, damit die Familie wenigstens zwei- bis dreimal in der Woche etwas zu Essen bekommt. Die Mutter bangt unterdessen um das Leben ihrer Kinder und das eigene – es ist gefährlich im Camp für Frauen und Kinder, während der Mann fort ist.

Als die Kleine vor 2 Jahren von ihren Eltern mit Onkel und Tante auf die Reise in die Sicherheit geschickt wurde, zerriss es nicht nur die Familie, es brachen auch viele Herzen. Aber die Eltern hatten keine Wahl. Zumindest ein Kind sollte in Sicherheit sein. Zu mehr reichten die finanziellen Mittel nicht. Zumindest nicht, um ‪eine für 4‬ Kleinkinder einigermaßen sichere Flucht zu ermöglichen. Sie versprachen ihrer Tochter, ganz bald nachzukommen. Seither wartet Mariza* auf Mama und Papa und auf ihre Geschwister. Die Visa sind schon lange beantragt und mittlerweile dem Grunde nach auch genehmigt, aber die Mühlen der Bürokratie malen langsam. Zu langsam, wie ich finde.

Und dann ist es auch noch ein Vabanquespiel, ob beide Elternteile mit allen Kindern Visa erhalten. Mariza weiß, wenn nicht alle ein Visum erhalten, wird keiner nach Deutschland kommen. Eine weitere Teilung würde die Familie nicht überstehen. So hoffen wir jetzt alle gemeinsam, dass die Geschichte mit diesem Familienzuzug glücklich ausgeht. Unterdessen lernt Mariza fleißig in der Schule. Ihr Antrieb: „Ich lerne so viel und schnell ich kann, damit meine Familie, wenn sie dann endlich bei mir sind, es leichter hat als mein Onkel und meine Tante vor 1 1/2 Jahren…“

*Name geändert

( Bild: Pixabay Text: Gastbeitrag )

Schreibe einen Kommentar