Jugenderinnerung

Ich wollte nicht, dass ihr jemand so weh tut. Da hab ich sie gestreichelt. Später wieder. Einfach nur das Gesicht gestreichelt. Ich wusste, ihr Verlangen nach mir wuchs, meines nicht. Nur als mal ihre weichen Lippen anfangen wollten meinen Finger zu liebkosen, hab ich gemerkt, dass es die Begierde zu einem Kuss wecken könnte und ich zog meinen Finger weg. Es war eine Vertrautheit da, ja, aber sie hat sich angefühlt wie freundschaftliche Vertrautheit. Einmal hab ich ihr auch gesagt, dass ich sie immer lieben werde. Es stimmt. Es hat sich nur die Form der Liebe geändert. Es wurde freundschaftliche Liebe, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich glaube nicht wirklich, dass, als ich mit ihr zusammen war, ich sie mit ganzem Herzen geliebt habe. Es war Liebe im Spiel, ja, aber ich denke, größtenteils war es Begierde, Verehren, Hingabe und wahrscheinlich Schwärmen. Als ich ab und zu bei ihren Freunden war, kam es, als hätte sich so was Ähnliches entwickeln können. Begierde und Verlangen war schon da. Eine gewisse Vertrautheit auch. Nur ich wusste, dass es nie wirkliche Liebe hätte werden können. Wenn man Spaß miteinander hat, sich mag und man Verlangen aufeinander hat, also eine körperliche Hingabe besteht, so kann es wohl Lust sein und Lust kann zu Liebe werden, kann, ist aber selten der Fall. Diese „Schwärmerei“ repräsentiert sozusagen das „Verliebt-sein“, ist von der wahren Liebe jedoch weit entfernt. Wahre Liebe, sie entsteht durch Verstehen, Vertrauen, Vertrautheit, Offenheit, absolute Wahrheit, zu jeder Zeit Für-einander-da-sein, Brauchen, Wärme und Geborgenheit.

Wenn man Kribbeln im Bauch hat, dann heißt das nicht gleich, dass man denjenigen liebt, es heißt, dass einem das gefällt, was im Moment geschieht. Die Liebe ist nicht für den Moment. Liebe entwickelt sich. Liebe lässt einen nicht einfach so im Stich, Liebe regt einem zum kämpfen an. Liebe beruht auf Gegenseitigkeit, ansonsten bleibt es Schwärmerei. Denn die Liebe, sie ist durstig nach Liebe. Wenn man sich gegenseitig liebt, dann wächst sie. Wenn der eine aufhört zu lieben, dann verweht die Liebe des anderen. Bekommt die eine Liebe einen Knick, dann färbt dieser Knick auf die andere Liebe ab. Nur gemeinsam schaffen sie diesen Knick zu beseitigen. Ist die eine Liebe jedoch zu schwach, so bleibt der Knick und wird vermutlich größer, bis das Herz bricht. Liebe ist sehr zerbrechlich. Sie fordert viel. Ohne ein geeignetes Gegenstück bleibt Schwärmerei Schwärmerei und kann keine Liebe sein.

( Bild: Pixabay)

 

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