Ein anderer Tag

Es wird immer einen anderen Tag geben,um zu sagen „ich liebe Dich“,und es gibt sicher eine weitere Chance…so denkt man, um zu sagen: „Kann ich etwas für Dich tun?“

Aber nur für den Fall, dass ich falsch liegen sollte, und es bleibt nur der heutige Tag, möchte ich Dir sagen, wie sehr ich Dich liebe.Und ich hoffe, dass wir nie vergessen das „Morgen“ ist niemandem versprochen weder jung noch alt und heute könnte die letzte Chance sein die Du hast, um Deine Lieben fest zu halten. Also, wenn Du auf Morgen wartest, wieso tust Du’s nicht heute? Falls das „Morgen“ niemals kommt wirst Du bestimmt bereuen, dass Du Dir keine Zeit genommen hast für ein Lächeln, eine Umarmung oder einen Kuss und Du zu beschäftigt warst, um jemandem etwas zuzugestehen, was sich im Nachhinein als sein letzter Wunsch herausstellt. Halte Deine Lieben heute ganz fest und flüstere ihnen ins Ohr sag‘ ihnen, wie sehr Du sie liebst, und dass Du Sie immer lieben wirst. Nimm Dir die Zeit zu sagen „Es tut mir leid“, „Bitte verzeih‘ mir“, „Danke“, oder „Ist in Ordnung“, und wenn es kein „Morgen“ gibt, musst Du den heutigen Tag nicht bereuen.
( Bild: Pixabay Text: In Anlehnung an den Abschiedsbrief eines Opfers des 11. September

Zirkel

Als aber der Zirkel durchlaufen war, sah ich, daß das unschätzbare Glück der Freiheit nicht darin besteht, daß man alles tut, was man tun mag und wozu uns die Umstände einladen, sondern daß man das, ohne Hindernis und Rückhalt, auf dem geraden Wege tun kann, was man für recht und schicklich hält.

 

( Bild: Pixabay Text: Johann Wolfgang von Goethe)

 

Kälte

Gestandene Kälte,gefrorene Liebe.Duchdringende Gedanken die flüstern….doch nur ein traum – nicht real war alles was ich sah. Doch kann man mit dem herzen sehen was andere verbergen,fühlen was sie vermeiden und empfinden welchen schmerz sie ertragen…

( Bild: Pixabay Text: Blogkarussell)

Gedanken

Meine Gedanken schweifen ab
Ich bin durcheinander
Ich bin nicht hungrig
Ich bin nicht traurig
Ich bin nicht durstig
Ich bin nicht glücklich
Mir ist kalt
Mir ist heiß
Mir ist wohl
Mir ist schlecht
Es tut weh
Es kribbelt
Es brennt
Es treibt mir eine Gänsehaut nach der anderen über den gesamten Körper.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.
Hör auf!
Du störst mich beim Denken!
Lass mich in Ruhe!
Nimm mich in den Arm!
Lass mich los!
Halte mich fest!
Lass mich nicht in Ruhe!
Lass mich nicht los!
Halt mich fester!

Ich will dich!

Bild: Pixabay

Demokratie

Von Mehrheiten und Minderheiten wird mehr verlangt, als zählen zu können. Die Minderheit muß der Mehrheit das Recht zur Entscheidung zugestehen. Die Mehrheit hat beim Umgang mit diesem Recht die Pflicht, sich in der of­fenen Suche nach Wahrheit besonders zu engagieren. Sie muß ih­re Entscheidung auf Grundsätze stützen, die von allen eingese­hen und als legitim empfunden werden können. Die Entscheidun­gen müssen zumutbar sein. Keiner soll sich durch sie in seiner Existenz bedroht…

( Bild: Pixabay Text: Richard von Weizsäcker )

Das Geschenk

Morgen werden wir beschenkt. Wer schenkt wem was, werdet ihr sicher fragen und vielleicht wird der ein oder andere hektisch auf den Kalender schauen. Nein, es ist noch nicht Weihnachten.
Aber morgen ist Sonntag der 24.09.2017.
Richtig: Bundestagswahlen und wie Norbert Lammert bei seiner Abschiedsrede am 5.9. 2017 so trefflich feststellte: „ein Königsgeschenk“
Doch es scheint ja in Mode gekommen zu sein,
Wahllokale zu meiden. Ich gebe zu, dass Wahllokal ist meist ein schäbiger Klassenraum, der schon allein Grund genug wäre, diejenigen abzuwählen, die den verbrochen haben. Aber ganz ehrlich: Davon will sich doch keiner sein demokratisches Stimmrecht vermiesen lassen, oder?
Also, hier ein Plädoyer dafür, zur Wahl zu gehen. Und Argumente, warum es eben auch keine Lösung ist, zu Hause zu bleiben:

Grund 1 : Wählen erinnert uns daran, dass Politik zwischen den Wahlen nicht aufhört! Stimme abgeben und dann einfach nicht mehr dran denken, das wär jetzt auch blöd. Handel politisch. Oder nein, das machst du ja ohnehin: Mit jeder Kaufentscheidung, mit jeder Flugreise, mit der Wahl deines Autos und deines Wohnortes. Alles ist politisch.

Grund 2: Nichtwählen aus Protest funktioniert nicht! Also mal angenommen, du bist ein Protest-Nichtwähler. Das ist dein gutes Recht. Aber: du schadest damit keiner Partei. Beispiel Wahlkampfkostenerstattung: Welche Partei wie viel vom Staat bekommt, entscheidet der Prozent-Anteil. Und der wiederum errechnet sich aus den gültig abgegebenen Stimmen. Das gilt auch für die Sitze im Bundestag. Deine nicht abgegebene Stimme fällt also einfach unter den Tisch. Weh tut das keiner Partei. Anderes Beispiel: Wenn du etwa verhindern willst, dass die NPD Geld vom Staat bekommt, dann musst du auf jeden Fall wählen gehen. Dabei ist es fast egal, was du wählst (außer eben die Rechtsextremen). Je mehr Menschen ihre Stimme abgeben, desto geringer wird der prozentuale Anteil der NPD am Gesamtergebnis. Also: Wer wählt, kann einfacher seine Protesthaltung ausdrücken. Wenn das mal kein guter Grund ist!

Grund 3 : Wählen tut gut! Dieser Moment, nach dem die Wahlzettel in der Urne verschwinden, ist immer wieder ein Genuss. Für viele ist das ja ohnehin einer der seltenen Momente im Leben, in denen sie aktiv die ganz große Politik mitbestimmen können. Wer darauf verzichtet, der verpasst etwas.

Grund 4 :Jede Stimme zählt! Die Entscheidung, wer das Land regiert, kann ganz schnell von ganz wenigen Stimmen abhängen. Im Zweifel genau von Ihrer. Von wegen, Ihre Stimme hat kein Gewicht! Am Ende kann sie genau die sein, die ihrer Partei an die Macht verhilft – und damit dorthin, wo sie in ihrem Sinne das Land gestalten kann.

Grund 5 :Wählen ist Bürgerpflicht! Nein, nicht im juristischen Sinne. Niemand kann hierzulande dazu gezwungen werden. Aber aus dieser Freiheit erwächst auch die Verantwortung, sich zu kümmern um das Land. Und dazu zählt mindestens, zur Wahl zu gehen. Ein demokratisches Wahlrecht ist übrigens weltweit gesehen ein echtes Luxusgut. Und ganz ehrlich, würde Ihnen jemand ´ne Flasche Schampus spendieren, dann würden Sie doch auch nicht Nein sagen, oder?

Grund 6 : Die Faulheits-Ausrede ist eine faule Ausrede! Schau dich um! Jede Straße, jedes Haus, die Kita ums Eck, der Arbeitsplatz, alles, einfach alles um dich herum betrifft dich direkt. Und alles hat irgendwas mit Politik zu tun. Willst du wirklich anderen überlassen, wer über das bestimmt, was dich direkt angeht? Nein? Na, siehst du !

Grund 7: Es geht ausnahmsweise nicht nur um dich! Im Ernst: Wer wählen geht, nur um das Beste für sich rauszuholen, der hat das mit der Demokratie noch nicht ganz verstanden. Der Staat ist nicht dafür zuständig, jeden Menschen glücklich zu machen. Sondern die vielen unterschiedlichen Interesse, Ideen und Vorstellungen in diesem Land zu bündeln und auf einen Nenner zu bringen. Also: Wenn du hoffentlich zur Wahl gehst, denke doch bitte für einen Moment auch darüber nach, auf wessen Kosten du deine Stimme abgibst.

Grund 8: Frische Sonntagsluft tut jedem gut! Okay, es ist gemütlicher, am Sonntagmorgen im Bett zu bleiben. Aber die Wahllokale haben ja bis 18 Uhr geöffnet. Ein kleiner Ausflug am Nachmittag schadet nicht und du tust etwas für die Demokratie. Großartig! Übrigens, falls es regnet: Es gibt da diesen Gebrauchsgegenstand, der Regenschirm heißt. Zu Hause bleiben gilt nicht!

Grund 9: Du hilfst damit der Demokratie! Stell dir vor, es ist Demokratie und keiner geht hin? Was denn bitte dann? Wenn niemand wählen würde – die Demokratie wäre tot. Also zurück zur Monarchie? Oder irgendeinem netten Diktator das Regieren überlassen? Nein, bitte nicht! Jedes demokratische Volk hat die Regierung, die es gewählt hat. Und wenn dir die nicht passt, dann wähle halt einen andere oder gründe selbst eine Partei. Bist du überzeugend genug, dann kannst du Kanzler werden. In einer Diktatur oder Monarchie hättest du nicht mal die Chance dazu.

Grund 10 : Du kannst deine Kompromissfähigkeit in der Wahlkabine testen! Keine Partei wird dir all das geben, was du dir von ihr wünschst. Aber manche machen auf dich vielleicht einen etwas besseren Eindruck als andere. Die einen wollen die Steuern für Reiche erhöhen. Die anderen wiederum halten die Belastung für hoch genug. Ja, das ist auch die Qual der Wahl. Aber hat ja keiner gesagt, dass Demokratie einfach wäre. Einfach, das könnte ja jeder.

Und nun: Viel Spaß beim Wählen und vielleicht sehen wir uns ja im Wahllokal.

Bild: Pixabay Text: Blogkarussell

Die Ewigkeit

Es ist nicht die Welt, der wir unser Lächeln schenken; es gehört einem Menschen.
Es ist nicht die die Vernunft die uns sagt, wie wir handeln sollen; es ist unser Herz.
Es ist nicht die Gesellschaft die uns vorgibt, wer wir sind; es ist dieser Mensch für den wir so sein wollen.
Es ist nicht die Zeit, die uns zeigt wie kostbar jede Sekunde ist; es sind die Sekunden gemeinsam die uns zeigen wie schön die Zeit sein kann.
Es sind nicht die Gedanken, die uns verbinden; es ist die Ewigkeit.

Bild: Pixabay Text: Blogkarussell

Chester Bennington

Chester Bennington ist tot. Und jetzt ist das Bewusstsein wieder da. Auch das Entsetzen und das Verständnis. So war es auch nach dem Tod von Robert Enke. Und dazwischen? Was war da?

Richtig – Wenig bis Nichts. Zumindest nicht in der öffentlichen Wahrnehmung.
Depression ist eine Krankheit. So wie Grippe und Masern. Nur nicht ansteckend aber dafür lebensbedrohlicher. Die Heilungschancen sind gar nicht schlecht. Dafür gibt es Medikamente und Therapien Aber dafür muss man sie erst eingestehen, sie diagostizieren Als der damalige Fußball-Nationaltorwart Robert Enke im Jahr 2009 seinem Leben ein Ende setzte, schien diese Thema die allgemeine Öffentlichkeit zu erreichen.. Endlich wurde über Depressionen geredet. Medien, Politiker und Fans forderten nach Enkes Tod einen offeneren Umgang mit dem Thema.

Doch dann sind die alten Muster in die Köpfe zurückgekehrt. Depressionen gelten als persönliche Schwäche, sind daher ein Tabuthema – vor allem in Jobs, bei denen es um viel Geld, Macht und öffentliche Aufmerksamkeit geht. Zwar tritt die Erkrankung in diesen Bereichen nicht häufiger auf als in anderen, doch die Betroffenen haben größere Angst vor dem Misstrauen, das ihnen entgegenschlagen könnte. Ein Manager fürchtet, seine Position zu verlieren, ein Fußballer seinen Marktwert, ein Chef den Respekt seiner Angestellten. Deshalb verheimlichen sie ihre Krankheit und versuchen, irgendwie weiter zu machen. Das ist gefährlich. In dieser Verhaltensweise zeigt sich ein allgemeines gesellschaftliches Problem: Leistung steht über Gesundheit, Krankheit gilt als Schwäche. Viele Berufstätige schleppen sich krank zur Arbeit, aus Angst vor dem Jobverlust. Das ist bei Depressionen nicht anders. Ein offener Umgang mit Depression, sollte daher in der Gesellschaft als ein Zeichen der Stärke gesehen werden.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen für das Thema sensibilisiert werden. Dazu gehört auch die Notwendigkeit, klarzumachen, dass ein Mensch nach erfolgreicher Therapie in der Lage ist, in seinen alten Job zurückzukehren. Wie bei anderen überstandenen Krankheiten auch. Einem Betroffenen auf ewig das Stigma „depressiv“ zu verpassen, entbehrt jeder Grundlage.

Depressionen können jeden treffen und sind meist keine unmittelbare Folge von Stress oder Leistungsdruck im Job. Der oft zitierte Satz „Mir geht es doch auch nicht gut, der soll sich mal nicht so anstellen“, muss unbedingt der Vergangenheit angehören. Hier sind Medien, Politik und Unternehmen in der Pflicht. Das Bundesgesundheitsministerium muss das Thema in Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und Gewerkschaften mehr in den Fokus rücken – medial und mit Aufklärungskampagnen in Schulen oder Universitäten.

Unternehmen brauchen Anlaufstellen, Vertrauensleute, an die sich Betroffene, aber auch Mitarbeiter und Vorgesetzte wenden können, wenn sie eine tiefgreifende Veränderung bei einem Kollegen feststellen oder unsicher im Umgang mit Depressiven sind. Außerdem sollten Arbeitnehmer in Pflichtseminaren über das Thema aufgeklärt werden. Denn oft sind die Reaktionen gegenüber einem Erkrankten am Arbeitsplatz falsch: Aus Unwissenheit wird ihm suggeriert, durch eine Änderung der Lebensumstände sei seine Depressionen zu vermeiden. Oft erhalten Depressive sogar den Ratschlag, die Arbeitsstelle zu wechseln. Das ist gerade zu Beginn der Krankheit das falsche Signal.

Leider werden Depressionen in vielen Teilen der Arbeitswelt nach wie vor falsch verstanden. Das hat viele Gründe, vor allem aber die fehlende Einsicht der Gesellschaft, dass es sich bei seelischen Leiden um Krankheiten handelt und die Betroffenen nicht nur übertrieben sensibel sind. Natürlich ist es die freie Entscheidung eines jeden Einzelnen, ob er seine Depression am Arbeitsplatz thematisieren will oder nicht. Doch es muss ein gesellschaftlicher Rahmen geschaffen werden, in dem Betroffene ohne Angst vor Stigmata offen sprechen können. Denn: Sie sind schlicht und ergreifend krank. Diese Erkenntnis muss sich in der Leistungsgesellschaft endlich durchsetzen.

Jetzt ist Chester Bennigton tot. Er wird vielen unvergessen bleiben. Seine Musik, seine Stimme, Seine Ausstrahlung und seine tragische Biographie.Und das ist gut so. Aber noch viel wichtiger ist, dass uns die Depression als Krankheit in Erinnerung bleibt. Die vielen Betroffenen sehen, die nicht im Rampenlicht stehen. Sensibel zu sein, Einen Blick dafür haben.

Lasst uns heute damit beginnen

Bild: Pixabay Text: Blogkarussell

Momentaufnahme

Da steht sie vor mir, mit ihren großen blauen Augen und ihren zerzausten Haaren. Der Mund leicht verschmiert, ein paar Sandkörnchen im Gesicht. Räubertochter nenn ich sie, wenn sie so aussieht. Sie tippelt leicht hin und her und meint, sie müsse auf die Toilette. Als ich aufstehe, um sie zu begleiten, denke ich noch: Na super. Wieder tolles Timing. Immerhin befinden wir uns in einer Strandbar.

Sie müsste sonst ganz alleine durch die Bar laufen, die Holzbretter entlang. Vorbei an den Kellnerinen und Barkeepern, den jungen Kerlen, die an der Bar sitzen und schon viel zu viel getrunken haben und der Rockband, die gerade ihre Probe für den späten Abend macht. Und dann sind da noch so viele Türen ohne Beschriftung. Und wer weiß, wie verdreckt die Toilette ist?

Doch schon ist sie ohne mich losgelaufen. Sie tippelt vor mir her, springt von einem Bein aufs andere und ich folge ihr langsam auf den Holzbrettern, die uns den Weg zu den Örtlichkeiten zeigen. Ich laufe langsam, halte genug Abstand. Ich möchte nicht, dass sie das Gefühl bekommt, dass ich denke, sie sei noch kein großes Mädchen.

An den gefühlten einhundert Türen angekommen, kann ich sie nirgends mehr entdecken. Ich gehe zu den Toiletten und schaue mich um. Augenblicklich stößt mir der ekelerregende und stechende Geruch von Urin in die Nase. Ich könnte kotzen. Hinter welcher Tür verbirgt sich nun meine Kleine? Nun, viel Auswahl gibt es nicht und tatsächlich, eine Kabine ist nicht abgeschlossen. Es schreit förmlich danach und bittet um Einlass. „Hier bin ich. Komm rein.“ Früher waren wir immer zusammen in der Kabine.

Als sie mich fragt, obwohl sie bereits acht Jahre alt ist und eigentlich meine Hilfe nicht mehr braucht, ob ich ihr beim Abwischen helfen kann, helfe ich ihr trotzdem. Sie hat ja gerade Bauchschmerzen. Ich bin immer noch ihre Mama. Und sie, sie ist immer noch mein kleines Mädchen.

Da wir schon mal hier sind, nutze ich die Gelegenheit, um auch noch schnell meine Blase zu entleeren. Wir waren ja immer zusammen in der Kabine. Meine Tochter wartet einen Augenblick verschwindet dann doch ganz schnell zum Hände waschen.

Früher dauerte das immer ewig. Jahre konnte ich meine Hände nicht waschen oder nebenan in der Kabine pinkeln. Jahrelang musste ich mich in die kleinste Zelle quetschen, in der man sich nicht drehen konnte. Jahrelang sehnte ich mich nach einer Minute Ruhe und ein kleines bisschen Freiraum. Plötzlich schienen sich all diese Wünsche, wie aus dem Nichts, in Luft aufzulösen. Auf einmal war von Alldem nichts mehr zu spüren.

Auf einmal wartet sie nicht mehr auf mich. Sie ist gegangen. Einfach so. Ich höre noch, wie sie den Wasserhahn aufdreht und ihre Hände mit Seife wäscht und nach dem Papier sucht, um ihre Hände zu trocknen.

Und während ich mit heruntergelassener Hose in der Kabine alles in Zeitlupe wahrnehme, höre ich auf einmal: „Tschüß Mama, ich geh schon mal. I love you.“

Bevor ich meine Schockstarre überwunden hatte, war sie weg. Einfach verschwunden. Dabei waren wir immer zusammen in der Kabine.

Sie läuft über die Holzbretter zurück, vorbei an der Rockband, die immer noch mitten in der Probe ist, dem Barkeeper und der Kellnerin und den jungen Kerlen an der Bar, die viel zu viel getrunken haben. Sie tänzelt über die Bretter zurück, zurück zu ihren Freunden an den Strand.

Sie wartet nicht auf mich. Ich muss ihre Hand nicht mehr halten. Sie braucht sie nicht mehr. Sie ist einfach gegangen. Dabei waren wir doch immer zusammen in der Kabine.

Mir schlägt mein Herz bis zum Hals. Ich könnte losheulen. Eben war ich noch Mittelpunkt ihrer kleinen Welt und eine Minute später sitze ich mit runtergelasser Hose in einer stinkenden Zelle. Allein. Dabei waren wir doch immer zusammen in der Kabine.

Sollte ich nicht dankbar und erleichtert sein, endlich mal in Ruhe pinkeln zu können? Bin ich aber nicht! Stattdessen habe ich einen Kloß im Hals und fühle mich verlassener, als je zuvor.

Wie im Zeitraffer zieht es an mir vorbei. Oft hat sie sich an mich geklammert, sich unter meinem Rock versteckt. Hat schüchtern vorgelugt, wenn ihr etwas nicht geheuer vorkam. Hat immer meine Hand oder meine Umarmung gesucht. In ihrem ganzen kurzen Leben hat sie sich immer rückversichert, damit sie ja nicht ohne mich ist und doch geht sie heute ohne mich. Sie geht ohne mich, um lieber mit ihren Freunden im Sand zu spielen.

Was mir bleibt ist ein kleines Loch im Herzen, aber ich bin mir sicher, dass sie nur so, die noch kommenden großen Herausforderungen meistern kann.

Sie wird weiterhin meine bedingungslose Liebe genießen und sich ihrer sicher sein können. Und vielleicht umschließt irgendwann ihre kleine Hand bald wieder die Meine.

Nein, nicht vielleicht. Ich bin mir sicher.

Der geliebte Feind

„16 jähriger schlug seiner ehemaligen Sandkastenliebe den Schädel ein – Motiv völlig unklar“
Diese Meldung tauchte vor einiger Zeit im Lokalteil einer süddeutschen Tageszeitung auf.
So unscheinbar diese Meldung auch scheinen mag. So erschreckend und unglaublich sind die Hintergründe. Immer wieder hören wir von scheinbar tiefen und langjährigen Freundschaften, die urplötzlich im tiefen Hass enden.
Auch wenn Ermittlungen im privaten Umfeld der beiden immer wieder zu dem Ergebnis kamen, dass beide langjährige Freunde waren, kam es zu dieser unvorstellbaren Bluttat. Denn was niemand auch nur erahnte: das Gefühl der Freundschaft ging nur vom späteren Opfer aus. Der Täter empfand seit Jahren nur tiefen Hass.
Soziologen haben einen Namen für derartige Phänomene: „Frenemies“. Ein Wortspiel aus den englischen Wörtern friend ( Freund ) und enemy ( Feind ). Und obwohl dieses Problem schon so alt ist wie die Menschheit selbst, wird es erst seit wenigen Jahren wissenschaftlich untersucht.
Was man bisher herausgefunden hat ist, dass die Anzahl der Frenemies in den letzten Jahren drastisch zugenommen hat. Das mag am wachsenden Sozialneid, an den immer häufiger wechselnden Freundeskreisen und dem digitalen Fortschritt liegen. Die Cyberwelt gibt vielen Menschen, insbesondere den jungen deutlich größere Sicherheit als die analoge Welt.
Insbesondere bei Menschen zwischen 13 und 25 tauchen Frenemies sehr häufig im Freundeskreis auf, was daran liegen mag, dass hier Trends, Hobbys und eben auch Freundschaften manchmal binnen Monaten wechseln. Außerdem weiß man, dass Jugendliche wesentlich vertrauensseliger sind als ältere Menschen.


Leider ist es nicht einfach, einen Frenemy in seinen Reihen als solchen zu identifizieren. Sie verbergen sich oft in den dichten Reihen unserer Freunde und haben, wenn sie überhaupt entdeckt werden, schon eine Menge Schaden angerichtet.
Sie streuen Gerüchte über uns, Missbrauchen unser Vertrauen, verraten unsere Schwächen und unternehmen alles, um uns ins schlechte Licht zu stellen.
Wir wissen mittlerweile, dass hier Neid und Missgunst eine große Rolle spielen. Frenemies haben deutlich weniger soziale Kontakte als ihre Opfer und fühlen sich oft ausgegrenzt.
Doch was machen, wenn wir einen Frenemy in unserem Freundeskreis entdeckt haben? Ihn bekehren, zur Rede stellen, die offene Konfrontation suchen? Psychologen sagen, dass es viel schwieriger ist, einen Frenemy wieder loszuwerden, als ihn zu entdecken. Schließlich kann man sich ja getäuscht haben und wenn nicht, gibt man ungerne zu, sich in einem Menschen so geirrt zu haben.
Der Kontakt zu der betreffenden Person sollte sofort abgebrochen werden. Keine Anrufe, kein Treffen, keine Mails, keine Aussprache. So schmerzlich dies auch scheinen mag. Wichtig ist es, dem identifiziertem Frenemy keine Angriffsfläche zu bieten. Dies kann als offene Kriegserklärung verstanden werden und lebensbedrohlich werden. Vom Frenemy zum Stalker ist es oft nur noch ein kleiner Schritt…

Bild: Pixabay Text: Blogkarussell